Mittwoch, 27. August 2014

Gegen den Strom


Ich bin ein Mensch, der es früher gern allen recht gemacht hat. Das ging so weit, dass ich mich selbst vergessen hatte, nur um anderen gerecht zu werden. Dass dies ein falscher Weg war, habe ich erst nach und nach eingesehen, bzw. nach Jahren. Vor allem in der Buchbranche wollte ich am Anfang alles perfekt machen, noch wichtiger war mir, von jedem gemocht und akzeptiert zu werden. Oberflächlich betrachtet hat das sogar geklappt, denn ich habe auf allen Hochzeiten getanzt, habe mich verbogen, damit niemand etwas gegen mich sagen kann. Eigentlich ist dies ein sehr ungewöhnliches Vorgehen gewesen, da ich zu Schulzeiten eher der Typ war, der gegen den Strom schwamm. Ihr fragt euch, worauf ich hinaus will?
Immer öfter kommt mir zu Ohren, dass ich es eben nicht schaffe, es jedem recht zu machen. Ich nehme z. B. nicht jede Lesungsanfrage an. Warum tue ich das? Weil ich das Autorensein mittlerweile hauptberuflich mache und auf einen gewissen Standard angewiesen bin. Es müssen in erster Linie Leser da sein, die sich für meine Bücher interessieren. Auch der finanzielle Aspekt spielt eine Rolle. Denn ich mache die Lesungen eben nicht nur just for fun, sondern weil ich damit etwas erreichen möchte. Natürlich liebe ich den Kontakt zu den Lesern und das Vorlesen bereitet mir Freude, ich kann völlig in meinen Geschichten versinken und darf das mit anderen teilen. Ich habe aber auch nur ein gewisses Zeitbudget, in der meine Schreiberei, meine Familie, meine Tiere, das Marketing der Bücher, der Haushalt und noch Vieles mehr reinpassen müssen. Ich muss also Prioritäten setzen.
Und dennoch halte ich wohl für einige noch zu viele Lesungen. Oder zu lange Lesungen. Schwierig ist es, wenn zuvor falsche Absprachen gemacht wurden und ich dadurch einen augenscheinlichen Fehler begehe und andere damit verärgere. Leider sickern auch immer mal Infos von anderen durch, die mir sagen, dass da noch andere Gefühle vorherrschen. Da wird gesagt, ich sei abgehoben oder überheblich, weil ich eben genau überlege, wo ich auftrete, oder weil ich nicht jede Veranstaltung anderer Künstler besuche. Freunde sagen mir dann immer, das ist alles nur Neid. Und glaubt mir, den kenne ich auch! Ihr ahnt kaum, wie oft ich verzweifle, weil andere Autoren scheinbar kaum etwas tun, aber eine Amazonplatzierung haben, von der ich nur träumen kann. Dann kommt er auf, der Neid, auch bei mir. Aber ich packe ihn und sperre ihn in einen Sack, wo er gefälligst bleiben muss. Ich will lieber Anerkennung für andere fühlen! Denn ich weiß nicht, wie sehr der andere gekämpft hat, um das zu erreichen. Man sieht es ja nicht immer. Vieles geschieht im Verborgenen.
Und dann frage ich mich, warum ist man gerade auf mich neidisch?
Die Buchverträge habe ich meiner Agentur zu verdanken und das Schreiben ist hart erarbeitet und ich opfere viel dafür. Hobbys gibt es kaum mehr, Freunde treffen alle paar Monate. Da sind hauptsächlich das Schreiben und meine Familie. Anders wäre es aber auch nicht machbar, aber ich will es ja so. Das Singen zum Beispiel ist eine sehr persönliche Sache, die ich mir in jahrelanger Arbeit Autodidakt angeeignet habe. Großteils habe ich in dieser Richtung die öffentlichen Auftritte aufgegeben, eben wegen der verborgenen Missgunst, die ich in dem Fall tatsächlich überall erlebt habe, nicht nur in der Künstlerbranche - das ging mir irgendwann zu nah. 
Wirklich "neidisch" kann man eigentlich nur auf meine Sturheit sein, denn die hat mich überhaupt so weit gebracht, dass ich nie aufgegeben habe. ;-)
Was wäre da noch? Etwas, das ich wohl unter den Tisch gekehrt hab. Ich habe kein Abitur und kein Studium. Beruflich habe ich ursprünglich Friseurin gelernt. Alles, was mit der Buchbranche zu tun hat, habe ich mir selber angeeignet, mit und ohne Hilfe. Für meine Träume habe ich immer kämpfen müssen.
Nun ja, was ist das Fazit? Ich kann es nicht jedem recht machen. Zudem bin ich ein Eigenbrödler, der gerne für sich ist, was die Sache nicht einfacher macht. Und die Buchbranche ist ein harter Knochen. Ich versuche verschiedene Kollegen zu unterstützen, kann das aber nicht bei jedem tun, dafür habe ich zu viele Kontakte. Und es muss auch ein Geben und Nehmen sein.
Warum schreibe ich das alles? Vielleicht weil ich nicht möchte, dass man von mir falsche Vorstellungen hat. Ich bin eigentlich nur eine chaotische, leicht verrückte Autorin, die mit ihren Figuren spricht, die ihrer Leidenschaft nachgeht und versucht, das Ganze mit ihrer Familie zu koordinieren. Ich liebe die Natur und rette oder füttere ständig irgendwelche Wildtiere. Ich sehe auch nicht immer so aus, wie auf meinen Lesungen. Gerade jetzt bin ich ungeschminkt, sitze im Jogger am PC und habe ungekämmte Wuschelhaare. Ich vergesse meine Termine, wenn sie nicht in meinem Kalender stehen. Ich sorge mich um meine Tochter, habe Ängste wie andere auch. Bei mir fliegen auch mal Katzenhaare am Boden herum und im Zusammenlegen meiner Wäsche bin ich wirklich nicht besonders gut, mein Mann kann das viel besser. Soll heißen, ich schreibe zwar Bücher und stehe ein wenig in der Öffentlichkeit, aber ich bin nicht abgehoben, wie einige denken, eher zurückhaltend, was bestimmte Personen oder Veranstaltungen angeht.
Und ich bin einfach glücklicher, wenn ich auf meine Gefühle vertraue, auch wenn das heißt, dass ich mal gegen den Strom schwimme. Also seid mir nicht böse deshalb, sprecht lieber offen mit mir, denn dann kann man Missverständnisse ganz schnell aus dem Weg räumen und ihr versteht mich vielleicht ein wenig besser.